Eure Fragen – meine Antworten

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Vor ein paar Wochen habe ich euch im Newsletter und auf Instagram gefragt, ob ihr mehr von mir wissen wollt und Lust auf ein Interview mit mir selbst habt. Und (erstaunlicherweise) war das der Fall. Von privaten bis hin zu Fragen rund ums Nähen, versuche ich euch Rede und Antwort zu stehen. Es hat mir Spaß gemacht, mir Gedanken zu machen, ob und wie ich antworten soll. Und ich habe beschlossen, keine Frage auszulassen, wenn auch die Antworten im privaten Umfeld nicht ganz so umfassend ausgefallen sind, wie es möglich gewesen wäre. Denn ihr wisst schon:

Eine Frau ohne Geheimnisse ist wie eine Blume ohne Duft.

Maurice ChevalieR

Was bist du von Beruf?

Ursprünglich komme ich aus dem Bibliotheksbereich. Als gelernte Bibliotheksfacharbeiterin (ja: im Osten hieß das wirklich so!) für öffentliche Bibliotheken schwenkte ich in meinem zweiten Studium zur Diplom-Bibliothekarin auf wissenschaftliche Bibliotheken um. Nach dem Studium habe ich aber nie in diesem Beruf gearbeitet, denn Ende der 90er Jahre gab es im öffentlichen Dienst kaum dauerhafte Stellen.

Deshalb bin ich sehr schnell nach dem Abschluss bei einem Medienbeobachter als Rechercheurin gelandet. Dort arbeite ich immer noch und selektiere Artikel aus allen Medienarten im Auftrage unserer Kunden. Das kann man sich in etwa so vorstellen: Wenn Firma XY wissen will, was über sie in der Presse steht oder gesagt wird und vielleicht auch noch wissen will, wie die Konkurrenz da steht und wie das Image ist, dann suche ich danach und liefere das dem Kunden.

Der Job hat sich in den Jahren sehr gewandelt, ich sage nur „Digitalisierung“ und im Laufe der vielen Jahre habe ich zahlreiche Nebentätigkeiten gemacht, wie Schulungen, Software testen, Prozessdokumentation und vor zwei Jahren habe ich eine Zusatzausbildung als Wissensmanagerin gemacht und betreue im Moment das firmeninterne Wiki.

Das Bild ist ca. 2 Jahre alt – mit meinen Jungs bei einem Länderspiel im Olympiastadium

Bist Du Single und hast Du Kinder?

Ich lebe in einer Beziehung und habe zwei erwachsene Söhne (25 und ab morgen 21) aus meinen beiden geschiedenen Ehen. Auf die beiden Jungs bin ich sehr stolz. Der Größere hat gerade sein letztes Semester des Medizinstudiums an der Uni und der Jüngere absolviert ein Duales Studium zum Gesundheitsmanager und arbeitet dafür in einem Fitnessstudio. Er hat im Moment keine so leichte Zeit, wie ihr euch denken könnt. Beide werden mit Sicherheit ihren Weg machen – auch wenn es (zumindest beruflich) ein ganz anderer sein wird als meiner.

Wie bist Du zum Nähen gekommen und seit wann nähst Du?

Süße 16 und mit selbstgestricktem Pullover

Zum Nähen bin ich noch vor der Wende gekommen. Mit ca. 16 Jahren begann ich, mir meine Kleidung teilweise selbst zu nähen, da es im Osten ja nicht wirklich stylische Klamotten gab. Hinzu kam, dass ich unbedingt aus dem Mainstream fallen wollte und meine wilden Punkjahre begannen.

Neben den selbst gemachten Teilen bestand meine Garderobe aus Kleidungsstücken aus einem Trauerbekleidungsladen, dem „Exquisit“ (in dem ich mal so geile schwarz-weiße Boxerstiefel gekauft habe, denen ich immer noch hinterher trauere ?) und einem 5 Nummern zu großem Ledermantel meines Opas.

Mein erstes Kleidungsstück war übrigens ein Tellerrock aus Bettlaken, denn Stoffe zu bekommen war fast noch schwieriger als Kaufklamotten. Gestrickt habe ich auch und dies während meiner Lehre sehr exzessiv. Damals begann auch meine große Liebe zu jeglichen schwarz-weiß-Kombinationen (siehe oben und unten).

Ich nehme mir immer vor, etwas zu nähen und dann fehlt mir die Zeit. Wie schaffst Du das?

Das ist wohl eher eine Frage der Prioritäten und des Lebenszyklus. Auch bei mir gab es Phasen, in denen ich wenig bis gar nicht genäht habe. Intensive Nähzeiten hatte ich, als die Kinder klein waren und benäht wurden. Danach brauchte ich eine Weile, bis ich wieder Lust und auch Zeit hatte, etwas für mich zu produzieren. Und im Moment ist es so, dass ich sehr oft am Sonntag mir die Zeit für mich nehme, die ich innerhalb der Woche nicht habe. Dann ziehe ich mich zurück in mein Nähzimmer und genieße es, mal nicht mit dem Kopf zu arbeiten, sondern produktiv mit den Händen.

Allerdings merke ich – gerade jetzt während der Pandemie nochmal besonders – dass ich mehr Zeit für Kultur und Ausflüge brauche. Das kam in den letzten Jahren eher zu kurz. Und dafür sind Sonntage ja eigentlich wie geschaffen.

Was bei mir gar nicht funktioniert: mich am Abend mal für ein Stündchen an die Maschinen zu setzen. Da finde ich keine Ruhe und meist gehe ich dann wieder unzufrieden – entweder, weil mir das Werk misslingt oder weil ich nicht so weit gekommen bin, wie ich wollte. Lieber nehme ich mir Zeit von mehreren Stunden am Stück. Das ist für mich befriedigender.

Was magst Du gar nicht nähen? Man hat doch so seine Vorlieben oder?

Gar nicht gern vernähe ich meine zahlreichen Stoffreste. Gerade erst habe ich meine Resteschublade mal wieder neu sortiert. Aber mir fällt nicht viel ein außer Patchworkdecken (die ich inzwischen reichlich habe), Unterwäsche (selbstgenähte trage ich nicht so gerne) und Socken (aber wer braucht soviele Socken?). Da tue ich mich schwer und habe schon viele Reste verschenkt. Ich möchte ja dann auch, dass die fertigen Teile genutzt werden. Das sehe ich nicht. Auch habe ich da wirklich wenig Freude dran, kann aber schlecht wegschmeißen.

Taschen nähe ich auch nicht (mehr) so gerne. Oft werden sie nicht so, wie ich sie gern hätte. Und man braucht auch einfach nicht so viele. Taschen tragen sich nicht so schnell ab, kommen langsamer bis gar nicht aus der Mode und im Moment, während meiner monatelangen Homeoffice-Zeit, brauche ich im Alltag eigentlich gar keine mehr.

Welche Nähmaschinen hast Du?

Vor ca. zwei Jahren habe ich meinen Nähmaschinenpark komplett umgestellt. Jetzt habe ich eine JANOME MC 9450QCP*, mit der ich sehr (!) zufrieden bin. Als Overlock benutze ich die Baby Lock Enspire Overlock* (ich liebe das Jet-Air-Einfädelsystem) und die eher selten genutzte Coverlock Baby Lock Success C405*, die ich aber nicht empfehlen kann.

Wie hast Du zu Deinem eigenen Stil gefunden?

Das ist eine gute Frage und kann ich eigentlich nicht wirklich beantworten. Wie oben schon geschrieben, besteht meine schwarz-weiß-Liebe schon sehr lange und ich mochte eigentlich auch schon immer mehr androgyne Schnitte, also Kleidung mit einfacher, dafür aber raffinierter Linienführung aus fließenden Stoffen, die insgesamt eher maskulin daherkommen.

Ich trage auch schon immer kurze Haare, meine Körperform ist eher schmal und nicht sehr weiblich (obwohl sich das gerade jetzt in älteren Jahren etwas ändert), da passen einfach keine super taillierten Schnitte dazu. Irgendwie habe ich da nie wirklich drüber nachgedacht, sondern das genäht, was ich toll fand. Und mit der Zeit habe ich dann gemerkt, dass all das Bunte mit kleinen Blümchen, Hippiekleidung etc. nichts für mich ist. Ich fühle mich in schlichter Kleidung wohler und so bin ich jetzt eigentlich da, wo ich schon mit 16 war – sicherlich stilvoller und geschmackssicherer, aber in den Grundzügen doch sehr nah dran.

Von wem lässt Du Dich modisch inspirieren?

Es gibt eigentlich niemand bestimmtes, von dem ich mich inspirieren lasse. Meine größte Inspirationsquelle ist im Moment Instagram und unsere großartige Nähcommunity. So finde ich immer wieder tolle Sachen bei piek & fein oder 1000Stoff, die einen ähnlichen Stil pflegen wie ich. Aber auch viele andere Blogger und Instagramer sind für mich Inputgeber.

Ansonsten nutze ich gern Pinterest, um Stilfindung zu betreiben. Oft sehe ich dort ein Teil und schaue, ob ich das nachnähen kann, suche dann nach Schnitten, die ich ggf. verändere. Ich hatte das auf meinem alten Blog schon mal dokumentiert und „Nähen mit System“ genannt – nachzulesen hier und hier. Ich mag vor allem den Stil von Jil Sander, aber auch den Online-Shop von COS besuche ich öfter. Auf meinem Pinterest-Borden kann man im Übrigen auch wunderbar meinen Stil dokumentiert sehen: clean, soft und immer mit dem gewissen Extra.

Mit welchem Promi würdest Du gerne mal die Kleidung tauschen?

Okay, ihr wollt unbedingt, dass ich einen Promi benenne? Früher fand ich Nenas Look cool – was das Bild unten wohl gut darstellt. Auch jetzt mag ich das Rockige noch sehr gern, aber ist im Alltag immer weniger vertreten.

Foto: Imago

Jetzt fällt mir eher Tilda Swinton ein, die für mich die Verkörperung der Androgynität darstellt und dabei trotzdem ungemein weiblich und schön ist. Die Modestrecken in der Vogue und in der Elle zeigen, wie vielfältig man sich mit Kleidung ausdrücken kann, ohne jemand anderes zu werden. Ob Anzüge oder Kleider – es ist immer etwas Besonderes.

Macht es Dir manchmal etwas aus, Dich in extravaganter Kleidung zu zeigen, während andere im Mainstream unterwegs sind?

Wer das Interview bereits bis hierhin gelesen hat, weiß schon, wie meine Antwort ausfallen wird. NEIN – ganz im Gegenteil. Ich hasse alles, was Mainstream ist und liebe die Inszenierung. Was allerdings nicht heißen soll, dass ich unbedingt im Mittelpunkt stehen muss und auch nicht, dass all meine Kleidung dazu taugt, als extravagant zu gelten.

Aber für mich ist das Besondere an Mode – und speziell am selber nähen – dass man eben seinen Typ, sein Wesen damit unterstreichen kann. Warum also sollte ich mich dann so kleiden wie die graue Masse? Damit würde ich doch sagen, ich bin wie alle. Aber das bin ich nicht und das ist auch keiner von euch!!! Also traut euch, das zu tragen, was euch Freude bereitet, in dem ihr euch wohl fühlt, das ein Ausdruck eures Charakters ist.

Durch meine Punkzeit in der Jugend war es für mich nie ein Problem, mit Kleidung aufzufallen. Damals wollte ich ja unbedingt provozieren. Dazu eine kleine Geschichte: In meiner Lehrzeit war ich in einem Internat (einem Schloss) in einer thüringischen Kleinstadt untergebracht. Von meinem Opa hatte ich den besagten Ledermantel (siehe dritte Frage) abgestaubt. Der war extrem auffällig. Und obwohl die Stadt selbst eine kleine Punkszene hatte, war ich innerhalb kurzer Zeit stadtbekannt mit meinem Look. Das bekam ich mit, als ich im Krankenhaus eine Mitschülerin nach einem schweren Unfall besuchte und ich als Verrückte aus Berlin angekündigt wurde, obwohl ich die Schwestern dort gar nicht kannte.

Die Provokation ist mir inzwischen nicht mehr wichtig. Ich weiß ja, wer ich bin, was ich kann und was nicht. Das macht mich nicht besser oder schlechter als andere – nur individueller. Und genau deshalb zelebriere ich auch gern mal einen extravaganten Look – als Ausdruck meiner Individualität.

Organisierst Du in ruhigeren Zeiten auch mal ein Nähcamp?

Nein, bisher nicht und eigentlich hatte ich das auch nicht vor. Ich nähe, ehrlich gesagt, auch lieber für mich allein.

Aber ein Nähbloggertreffen wie 2018 in Hamburg fände ich durchaus wieder toll und damals kam die Idee auf, uns das nächste Mal in Berlin zu treffen. Sollten sich die anderen Berlinerinnen dazu aufraffen, ein solches Treffen zu organisieren, bin ich gern Teil des Organisationsteams.

Na, wer erkennt sich wieder? Nähbloggertreffen November 2018

Wie hat die Pandemie Deine Freizeitbeschäftigungen beeinflusst?

Eigentlich nicht besonders. Natürlich ist man mehr zuhause, aber ich bin auch in anderen Zeiten nicht so super viel unterwegs. Ich nähe mit Sicherheit noch mehr als vorher. Aber Yoga praktiziere ich schon seit Jahren allein daheim, mit dem Hund musste ich schon vorher jeden Tag spazieren gehen.

Was mir wirklich fehlt, ist das Treffen mit Freunden, das derzeit nur per Videocall stattfindet und Rockkonzerte sowie das Tanzen. Es gibt zwar auch dafür nicht so oft Gelegenheit, aber die genieße ich dann immer besonders. Dieses Jahr ist das alles weggefallen.

Und im Sommer haben wir daheim statt zu verreisen unsere Küche komplett allein neu gebaut. Das war mal eine andere Art von Kreativität und hat gut getan.

Wenn es wieder möglich ist, würde ich gern mehr kulturell unternehmen. Jetzt, wo man das gar nicht mehr hat, merkt man erst, wie wichtig das ist.

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6 Kommentarte
  1. Ani Lorak 3 Jahrenvor
    Antworten

    Danke für den Einblick. Es passt zu dem Bild, was ich von Dir habe. Ich folge noch nicht lange, Ber es ist stimmig, Du ruhst in Dir. Ich freue mich auch auf Kultur und das vermisse ich neben Freunden zu treffen am ärgsten . Alles Gute für 2021!

  2. Elke 3 Jahrenvor
    Antworten

    Interessant ein paar Details aus deinem Leben zu lesen. In vielen Antworten erkenne ich mich wieder. Tilda ist absolut faszierend. Aber ich gehöre eher zu den „grauen Mäusen“ ?, ich mag alles zwischen weiß und schwarz/blau. Nur ein paar rote Dinge finden sich als Kontrast im Kleiderschrank. Und ich kann nachvollziehen wie sehr dir das Tanzen fehlt. Ich gehe normalerweise regelmäßig zum Zappeln. Ich drücke uns die Daumen, dass es 2021 bald wieder möglich ist. Ein gutes neues Jahr dir ??

  3. Silke 3 Jahrenvor
    Antworten

    Sehr interessant, hab auch gleich die Links zu den älteren Artikeln geklickt.

  4. Anja Singer 3 Jahrenvor
    Antworten

    Danke für das interessante Interview mit dir selbst! Ich fühle mich geehrt, dass du meine Frage, die ähnlich vielleicht mehrfach gestellt wurde, so ausführlich beantwortet hast. Ich wünsche dir viel Nähspaß und Erfolg in 2021!

  5. Sarah 3 Jahrenvor
    Antworten

    Hallo Anke, das ist ein schönes Interview mit dir! Ich habe Sternchen in den Augen… ich war in den neunzigern 16 , und bin in userer Kleinstadt mit nem iro rumgelaufen. Das hat zu dem Zeitpunkt keinen mehr nachhaltig beeindruckt, aber mich trotzdem bis heute geprägt. Innere Einstellungen und so… mir fehlen die Konzerte auch unglaublich! Das Bild mit deinen Söhnen ist toll! Eigentlich geht es uns ja um Mode und nähen, aber es ist total spannend was / wer wir noch sind… ich lese weiter sehr gerne mit! Lg Sarah

  6. […] meinem letzten Interview habe ich euch ja von meiner Unlust erzählt, Reste zu verarbeiten und genähte, aber nicht mehr […]

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