Vom klassischen Handwerk lernen

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Es ist schon eine Weile her, dass ich euch einen Blick hinter die Kulissen gewährt habe. Heute habe ich einen ganz besonderen Gast, denn diesmal habe ich einen Profi wie er im Buche steht. Seit mehreren Generationen ist Stefan Maßschneider und hat im letzten Jahr die Idee gehabt, sein Wissen neben einer soliden Ausbildung vor Ort auch in einem Online-Kurs weiterzugeben.

Ich frage ihn, wie es dazu kam, welche Geschichte hinter dem Unternehmen steht, welche Rolle die Tradition und die Familie dabei spielt und was das alles mit Nachhaltigkeit zu tun hat.

Foto: © SchneiderAkademie.com

Die Schneider-Akademie entstand aus dem Betrieb Wimmer schneidert, der bereits in neunter Generation geführt wird. Erzähl doch ein wenig aus der Geschichte. Solche Betriebe gibt es ja nur noch selten.

Ja, das stimmt, solche Betriebe gibt es leider selten. Und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll… Ich selbst habe die Leidenschaft und das Handwerk von meinem Vater und Großvater gelernt.

Früher war da vieles natürlich ganz anders. Mein Urgroßvater zum Beispiel hat mir auch noch gezeigt, wie früher mit Nähmaschinen ohne Motor gearbeitet wurde. Mit einem Fuß-Pedal zum Treten. Noch früher wurde ausschließlich mit der Hand gearbeitet. Das ging so weit, dass die Bügeleisen früher aus schwerem Gusseisen waren und mit heißer Kohle aus dem Kamin auf Betriebstemperatur gebracht werden mussten. Strom gab es damals ja nicht.

Foto: © SchneiderAkademie.com

Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Und seither hat sich zum Glück sehr viel getan ?.

Aber was ich an der Arbeit unserer Vorfahren besonders bewundere, ist genau das. Trotz der einfachen Mittel haben sie damals Kleidung “für die Ewigkeit” genäht. Es war einfach nicht vorstellbar, eine Jacke zu machen, die nach einer Saison im Altkleidercontainer landet. Jedes Kleidungsstück wurde so sorgfältig gearbeitet – jeder Stich wurde perfektioniert – damit die Kleidung ein Leben lang hält. Oft sogar an die nächste Generation weitergegeben.

Auch wenn das heute seltener vorkommt, dass man die Kleidung der Eltern und Großeltern trägt, leben wir diese hohen Maßstäbe weiter. Man sieht die Qualität ja auf den ersten Blick. Das Handwerk wurde von Generation an Generation weitergegeben und weiterentwickelt. So verbinden sich in meinen Augen 9 Generationen, bzw. jetzt die 10. Generation.

Foto: © SchneiderAkademie.com

Welche Art von Kleidung stellt ihr dort her? Gibt es Spezialisierungen?

Der Fokus bei uns ist perfekt sitzende Maßkleidung. Kleider machen Leute! Und unsere Kunden reisen teilweise mehrere Stunden an oder planen sogar ihren Urlaub so, dass sie es mit dem Maßnehmen und der Anprobe vereinbaren können, um ein Kleidungsstück nach den eigenen Vorstellungen auf den Körper geschneidert zu bekommen.

Foto: © SchneiderAkademie.com

Mit “Wimmer schneidert” ist der Fokus dabei auf moderne, zeitlose Trachtenmode für Damen und Herren gewandert. Und sämisch gegerbte Hirschlederhosen. Speziell auch für Hochzeiten und festliche Anlässe, hier haben wir ein breites Spektrum von trachtig bis zu klassischen Herrenanzügen und eleganten, hochwertigen Kleidern. Was die Kunden wünschen, wird perfekt auf den Leib geschneidert.

Wie kam es, dass ein solcher Traditionsbetrieb das Bedürfnis hatte, einen Online-Kurs anzubieten?

Ich hatte das Gefühl, ich muss das jetzt machen. Wir haben uns ja als Ausbildungsbetrieb einen sehr guten Ruf aufgebaut. Sicher wegen unseren hohen Qualitätsansprüchen, aber vor allem, weil unsere fleißigen Lehrlinge regelmäßig Preise und Auszeichnungen gewinnen. Gleichzeitig gibt es aber leider immer weniger Ausbildungsbetriebe im deutschsprachigen Raum.

Das führte dazu, dass sich bei uns mehr und mehr potentielle Lehrlinge melden. Wir können aber jedes Jahr nur 1-2 Lehrlinge bei uns aufnehmen.

Foto: © SchneiderAkademie.com

Mit tat es wirklich leid, jedes Jahr dutzende Bewerber abzulehnen. Auch mit dem Wissen, dass es keine anderen Ausbildungsplätze gibt. Jede Absage ist ein geplatzter Traum. Ich habe schon länger überlegt, wie wir dieses alte Wissen vermitteln können. Auch um es für spätere Generationen zu erhalten. Dann ging es plötzlich sehr schnell. Wegen Corona war ich gemeinsam mit meinem Sohn Leonhard in Quarantäne – und der Betrieb deshalb geschlossen. Das nötige Kameraequipment für den ersten Testlauf war auch vorhanden, so hat es dann nach und nach Form angenommen.

Steht denn für den Familienbetrieb bereits die nächste Generation in den Startlöchern?

Ja. Wir haben 5 großartige Kinder, die alle involviert sind. An Nachwuchs fehlt es uns also nicht ?.

Foto: © SchneiderAkademie.com

An wen richtet sich der Kurs und was können die Kursteilnehmer mit dem Abschluss anfangen?

Wir nähen aus Leidenschaft und wollen diese Leidenschaft vermitteln.

Der Kurs richtet sich natürlich an junge Auszubildende, die keinen Lehrplatz als Schneider finden und an AMS [Anmerkung Redaktion: Arbeitsmarktservice in Österreich] Kursteilnehmer, die sich umschulen lassen wollen.

Foto: © SchneiderAkademie.com

Genauso haben wir aber auch sehr viele TeilnehmerInnen im Kurs, die ihr Hobby perfektionieren wollen, um daraus ein eigenes Business zu machen, oder Hobbynäherinnen und -näher, die sich stark verbessern wollen. Es uns wichtig, dass wir denjenigen eine Ausbildung anbieten können, die ihr Leben lang davon geträumt haben, aber nie die Möglichkeit hatten, das schönste Handwerk der Welt von der Pike auf vom Schneidermeister zu lernen.

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Die vorgegebenen Modelle sind sehr klassisch. Gibt es im Kurs auch Tipps und Tricks, wie man diese unkonventionell „aufpeppt“?

Ja, dazu gibt es natürlich Anregungen im Kurs. Aber als wahrscheinlich größte Inspiration dienen die Werkstücke unserer TeilnehmerInnen selbst, einige davon sind unter dem Hashtag #schneiderakademie auf Instagram bzw. in unserem Instagram-Profil zu finden und auch auf unserer Facebookseite.

Ist Schnittkonstruktion auch Teil des Kurskonzeptes?

Der Kurs ist ähnlich wie eine echte Schneiderlehre aufgebaut. Das heißt, man lernt anhand der praxisorientierten Ausbildung gut zu nähen und außerdem auch, wie man Schnitte abändert.

Im Kurs stellen wir dazu in jeder Einheit einen weiteren, bewährten Schnitt in jeder Größe zur Verfügung. Man lernt im Laufe des Kurses, wie man diese Schnitte auf verschiedene Figurentypen anpasst und ändert. Wir legen großen Wert darauf, die Abänderung der Schnitte (ob Figur- oder Modellbedingt) und die Nähpraxis zu vermitteln.

Foto: © SchneiderAkademie.com

Um eine fundierte Schneiderausbildung zu ermöglichen, ist das Programm schon sehr dicht, deshalb findet das Zeichnen und Erstellen eines Schnittes in diesem aufbauenden, zweijährigen Kurs keinen Platz mehr. Es ist bereits angedacht, dass wir Schnittkonstruktion nächstes Jahr in Kooperation mit einer anderen Online-Akademie anbieten.

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Macht ihr euch Gedanken über das Thema Nachhaltigkeit und wie fließen diese ggf. in eure Arbeit mit ein?

Ja, bei uns im Betrieb und bei der Schneider Akademie. Uns ist sehr wichtig, dass die Modelle selbst schon hochwertig und zeitlos sind. Dadurch verlängert sich die Tragedauer enorm. Außerdem sind immer Änderungsmöglichkeiten zum Figur anpassen angegeben. Auch im Nachhinein kann man die Größe nochmal anpassen.

In der Verarbeitung achten wir darauf, dass die Kleidung sehr lange hält. Es kommt immer wieder vor, dass jemand mit einem alten, aber noch sehr edlen Erbstück (z.B. eine Lederhose, Anzug oder Dirndlkleid) von den Großeltern, zu uns ins Geschäft kommt und uns bittet, es für sie anzupassen. Dann sieht es wieder wie neu aus. Unsere Kleidung überlebt ihre Träger häufig.

Foto: © SchneiderAkademie.com

Bekommen wir am Ende noch ein paar Empfehlungen vom Profi? Welche Tools und Werkzeuge sollte in keinem Nähatelier fehlen? Welche Bücher könnt ihr uns ans Herz legen?

Gleich zu Beginn des Kurses erfährt man viel zur Ateliereinrichtung. Was wir empfehlen können, was man gleich zu Beginn benötigt, aber auch, was sich in der Praxis nicht bewährt hat oder man erst später besorgen kann.

In jeder Einheit gibt es dann weitere Profitipps, denn im Fokus steht eine praxisorientierte Ausbildung.

Wir stellen manchmal tiefergehende Literatur vor. Was ich immer empfehlen kann sind zum Beispiel die Bücher “Fachwissen Bekleidung”* vom Verlag Europa Lehrmittel und “Nähen leicht gemacht”* vom Verlag Aenne Burda.

Für NähanfängerInnen haben wir übrigens sehr nützliche Tipps in einem E-Book zusammengefasst, das wir allen Nähinteressierten auf unserer Website kostenlos zur Verfügung stellen.

Foto: © SchneiderAkademie.com

Und nun noch ein kleiner Ausblick: Wird der Kurs noch weiterentwickelt? Oder gibt es andere Pläne der Akademie?

Ja, wir arbeiten jeden Tag an kleinen und großen Verbesserungen.

Wir freuen uns da sehr über das rege Engagement unserer TeilnehmerInnen, die uns auch sehr fleißig mit Ideen, Fragen und Feedback bereichern. Auf diese Weise haben wir den Kurs laufend verfeinern können, von Materiallisten bis hin zu Bonusvideos und neue Funktionen der Kursplattform. Das werden wir natürlich auch weiterhin so machen – und haben bereits die nächsten kleinen und größeren Erweiterungen in der Entwicklung.

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1 Kommentar
  1. Es ist schön zu sehen, mit welcher Leidenschaft Herr Wimmer davon spricht, dass er sein Wissen so gerne weitergeben möchte. Ein schönes Interview. Liebe Grüße, Gabi

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