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Ein Trendbericht von den Messen im Januar
Mit dem Thema Nachhaltigkeit muss sich die Mode- und Textilbranche in den letzten Jahren verstärkt auseinander setzen. Hervorgerufen durch die globale Kampagne Fashion Revolution können die Hersteller sich nicht mehr der steigenden Nachfrage und Notwendigkeit nach fair und nachhaltigen Textilien verschließen. Dabei muss das Thema die gesamte Lieferkette betrachten. Vom biologischen Anbau über schonende und wasserarme Färbemethoden, faire Arbeitsbedingungen, kurze Lieferwege, den Einsatz von Recyclingmaterial bis hin zur Etablierung von Wiederverwertungssystemen werden zahlreiche Ansätze verfolgt.
Ein paar Beispiele von den Mode- und Stoffmessen im Januar zeigen die Themen, mit denen die Branche experimentiert.
Zum einen ist festzustellen, dass die Messen selbst nachhaltiger werden wollen. Die Veranstalter wollen ihren CO²-Fussabdruck erheblich reduzieren und setzen sich Ziele, künftig klimaneutral zu werden. Dabei stehen der Energieverbrauch, Zero-Waste-Konzepte und der Verkauf von Bioprodukten auf der Agenda. Vorreiter ist hier die Copenhagen Fashion Week.
Copenhagen Fashion Week – Sustainable Action Plan 2020-2022
Einen ehrgeizigen Plan verfolgen die Messeveranstalter in Kopenhagen. Sie wollen in den nächsten drei Jahren die Auswirkungen auf die Umwelt um 50 % reduzieren und dabei komplett abfallfrei werden. Außerdem wurden Teilnahmestandards festgelegt, die für jeden Aussteller gelten und nach einem Punktesystem klassifiziert werden. Unter anderem sollen die Hersteller unverkaufte Kleidung nicht mehr vernichten, mindestens 50 % der Kleidung soll aus biozertifizierten Stoffen oder recycelten Materialen hergestellt sein. Verpackungsmaterial soll nachhaltig sein und für die Fashion-Shows sollen Zero-Waste-Sets entworfen werden.
Mehr Informationen dazu sind auf der Seite der Copenhagen Fashion Show zu finden.
Berlin Fashion Week mit vielen Ansätzen
Mit der Sustainable Fashion hat die Berlin Fashion Week eine eigene Messe etabliert, die sich allein mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Außerdem will auch die Berlin Fashion Show als Event selbst nachhaltiger werden. Dafür soll der Abfall reduziert werden, die Messebausysteme länger nutzbar sein, es wird Bio-Catering angestrebt und der Papierverbrauch soll deutlich reduziert werden.
Das Konzept der NEONYNT verfolgt in diesem Jahr das Thema Wasser. Es wurden Ansätze für zukunftsfähige Lösungen der Textil- und Modeinstustrie in Bezug auf die massive Einsparung von Wasser diskutiert.
Unter anderem widmet sich die NGO Drip by drip diesem Thema. Gerade in der Produktion von Baumwollstoffen werden zwischen 7.000 – 29.000 Liter Wasser je Kilogramm Baumwolle verbraucht. Der Trend geht zur Entwicklung von Stoffen, die ohne Baumwolle auskommen und somit weniger Wasser verbrauchen. Bei der Herstellung von Materialen aus Modal, Lyocell oder Hanf wird bis zu 90 % Wasser gespart. Dabei wird die ganze Produktionskette mit einbezogen, vom Anbau, übers Färben bis hin zum recycelten Wasser. Des Weiteren ist das Ziel, Stoffe zu entwickeln, die biologisch abbaubar sind, frei von gefährlichen Chemikalien, Pestiziden und Düngemitteln.
Als Green Fashion-Plattform versteht sich die XOOM. Hier stellten Brands aus, die sich für sozialverträgliche Arbeitsbedingungen einsetzen und zertifizierte Naturtextilien verwenden.
Ebenfalls eine Erwähnung wert ist die Vereinigung Future Fashion Forward, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Öffentlichkeit über die Missstände in der Bekleidungsindustrie umfassend aufzuklären.
ISPO – Vorreiter oder Problemkind?
Auf der ISPO werden ökologische Stoffe schon länger diskutiert. Durch den Einsatz des schädlichen Materials PFC in Sportkleidung ist die Outdoorbranche vor ein paar Jahren in Verruf geraten. Andererseits sind viele der Kunden naturverbunden und achten somit besonders auf die Umwelteinflüsse bei der Produktion der Bekleidung.
Inzwischen ist die Untergruppe PFOS in reiner Form in Deutschland verboten, wird dennoch teilweise in Mischformen verarbeitet aus Mangel an Alternativen. Diese werden nun verstärkt in den Fokus gerückt. Vermehrt werden Stoffe aus Tencel, Hanf (in Socken) oder Bambus (in Unterwäsche) eingesetzt. Ziel ist die 100%ig biologische Abbaubarkeit von Textilien. So wurde die erste komplett kompostierbare Jacke vorgestellt. Auch wird immer mehr auf Imprägnierung verzichtet.
Diskutiert wird außerdem die Reduzierung von Daunen in Kleidung. Auch wenn dies ein natürlicher Rohstoff ist, so wird die Haltung der Tiere massiv kritisiert. Jacken werden wieder mehr mit Kunststoffen gefüttert oder mit dem Innenleben der Kapokfrucht.
Weitere Themen sind die Reinigung des Produktionsabwassers mittels Algen, die Herstellung von Funktionsjacken aus recyceltem Alttextilien, Plastikflaschen oder Restmaterialien von Überproduktionen. Ein Hersteller hat einen neuen Fleecestoff herausgebracht, der den Faserverlust im Vergleich zu den bisherigen Sorten erheblich reduziert.
Die Verarbeitung von Naturkautschuk, Reisabfällen und Zuckerrohr bei Schuhen klingt ebenfalls vielversprechend. Grundsätzlich wird Langlebigkeit der Produkte angestrebt. Mit Reparatur-Services punkten einige Hersteller schon seit längerem und wollen diese nunmehr ausweiten.
Munich Fabric Start – ausbaufähig
Auf der Munich Fabric Start werden neue Technologien, nachhaltige Materialen und spezielle Färbe- und Ausrüstungsverfahren vorgestellt. Mit der Resource-Area wurde ein Bereich geschaffen, der 800 nachhaltig produzierte Artikel präsentiert. Mit der Sustainable Innovations wird das Augenmerk auf neue, nachhaltige Verfahren gerichtet. Beispielsweise wurde auf der Basis von Milchprotein eine wasserabweisende Beschichtung von Textilien entwickelt, die zu einer Unisex-Workwear verarbeitet wurde. Aber auch die Rückkehr zu alten Wurzeln durch die Verwendung von Kartoffelstärke, Sisal oder alter Druckmethoden ist zu verzeichnen.
Ressourcenschonung ist auf der Munich Fabric Start ein großes Thema. Vor allem bei Denim wird die Reduzierung sowie das Recycling von Wasser angestrebt. Biologische Wasseraufbereitungsanlagen oder die neue DryIndigo®-Technologie, mit der es möglich sein soll, Denim mit 0% Wasserverbrauch herzustellen wurden vorgestellt.
Die Stoffhersteller selbst verzeichneten vor allem eine verstärkte Nachfrage nach zertifizierten Textilien.
Was bleibt?
Es ist gut, zu sehen, dass sich etwas tut in der Branche. Inwiefern sich neue Technologien und Standards durchsetzen, bleibt abzuwarten. Viel wird davon abhängen, wie sich die Preise gestalten und wie die Verbraucher reagieren. Noch ist im Handel von den Neuerungen wenig zu spüren. Nachhaltig produzierte Stoffe findet man noch viel zu selten und ist vielen zu teuer.
Außerdem kann sich der Verbraucher nicht immer sicher sein, ob Nachhaltigkeit drin steckt, wo Nachhaltigkeit drauf steht. „Green Washing“ ist offenbar noch weit verbreitet. Zertifikate sollten hier künftig noch mehr eine Rolle spielen.
Was kommt?
Künftig möchte ich euch mehr zum Thema Nachhaltigkeit präsentieren. Ich werde Licht ins Dunkel der Öko-Siegel und Zertifikate bringen, interessante Labels vorstellen, nach ökologischen Stoffherstellern und -händlern suchen. Welche Themen interessieren euch noch? Wer hat Lust, selbst einen Beitrag dazu zu verfassen? Ich freue mich wie immer über eure Anregungen.
Interessanter Post! Gerne würde ich mehr über diese Indigo Färbetechnik erfahren, aber hab nur spärliche Informationen gefunden. Z.B. was ist das für ein Schaum? Woraus besteht der und wieso ist der nachhaltiger als Wasser? Hast du da noch Details? Ich war auf der Neonyt und dort war mir vor allem das neue Circulose Verfahren aufgefallen. Und spannend fand ich auch die Tshirts aus Kaffeesatz (40%, Rest Baumwolle). Auf meinem Blog wird es dieses Jahr auf jeden Fall einige Projekte aus Hanf zu sehen geben, dazu werde ich auch Hintergrundinfos und Bezugsquellen nennen.
Leider habe ich auch nicht mehr zur Färbetechnik in Erfahrung bringen können. Grüße Anke